Zum Inhalt springen

Mietrecht: Diskriminierung im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

    Diskriminierung im Mietrecht (AGG = allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)

    I. Vorbemerkung

    Das AGG gilt bei der Begründung, der Durchführung und der Beendigung von ab dem 18.8.2006 begründeten Mietverhältnissen. Hauptanwendungsbereich wird das Wohnungsmietrecht sein. Das Gesetz schützt vor Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.

    II. Anwendbarkeit des AGG

    Wenn es um eine Diskriminierung wegen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geht, gelangt das AGG bereits zur Anwendung, wenn Wohnraum auch der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, auch wenn er nicht durch große Wohnungsgesellschaften, sondern durch Private angeboten wird. Es kommt allein darauf an, dass der Wohnraum in einer Tageszeitung, im Internet oder sonst öffentlich angeboten wird. Geht es hingegen um eine Diskriminierung aus anderen Gründen (Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) wird das AGG nur angewendet, wenn Wohnraum nach Art eines Massengeschäftes öffentlich angeboten wird (§ 19 I Nr. 1 AGG). Massengeschäfte sind solche, die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen und bei denen das Ansehen der Person entweder typischerweise keine Rolle spielt oder eine nachrangige Bedeutung hat. Der Gesetzgeber unterstellt, das bei Großvermietern die Vertragserfüllung und nicht die jeweilige Person des Mieters im Vordergrund steht. Regelmäßig dürfte diese Form der Diskriminierung deshalb nur dann in Betracht kommen, wenn größere Wohnungsgesellschaften als Anbieter auftreten. Unterschiedliche Behandlungen sind gleichwohl dann erlaubt, wenn ein spezieller Vermietungszweck objektiv feststellbar ist, wie etwa bei Wohnungen in einem Studentenwohnheim. Kein Massengeschäft liegt vor, wenn der Vermieter nicht mehr als 50 Wohnungen vermietet (§ 19 V 3 AGG). Bei der Zahl von 50 geht es nicht um den vermieteten oder den vermietbaren Bestand, sondern um den Umfang der dem Vermieter gehörenden Wohnungen. Damit wird ein Kleinanbieter von Wohnraum jedoch nicht etwa von dem Diskriminierungsverbot gänzlich befreit. Denn für ihn bleibt es – wenn er die Wohnung öffentlich anbietet – bei dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Gibt er die Wohnung unter der Hand, zum Beispiel an Freunde, weiter, findet das AGG gar keine Anwendung, weil die Wohnung dann nicht der Öffentlichkeit zur Verfügung steht. Zum Schutz der Privatsphäre und des Familienlebens findet das Diskriminierungsgsverbot generell auch dort keine Anwendung, wo ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien oder ihrer Angehörigen begründet wird (§ 19 V 1 AGG), etwa wenn der Vermieter Wohnraum auf demselben Grundstück vermietet, auf dem er oder seine Familie wohnt. Dies kann auch bei einem Haus mit vielen Wohnungen der Fall sein. Je mehr Wohnungen dort vorhanden sind, desto eher tritt das Nähe- oder Vertrauensverhältnis in den Hintergrund. Bis zu vier Wohnungen dürfte regelmäßig ein Nähe- oder Vertrauensverhältnis bestehen.

    III. Wann liegt eine Diskriminierung vor?

    Das Diskriminierungsverbot wird in erster Linie durch Vertragsverweigerung verletzt. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn der Vertrag aus Gründen nicht zustande kommt, die das AGG gerade vermeiden möchte oder wenn der Vertrag zu nachteiligeren Konditionen als mit anderen potentiellen Vertragspartnern, die das inkriminierte Merkmal nicht aufweisen, geschlossen wird. Die Vertragsfreiheit wird zwar nicht beschränkt, jeder kann sich nach wie vor frei für oder gegen einen Vertrag entscheiden. Das AGG möchte jedoch verhindern, dass diese Entscheidung von Kriterien beeinflusst wird, die nicht gebilligt werden. Nun wird die Entscheidung für oder gegen einen Mietbewerber oft auf einem Bündel von Überlegungen beruhen. Man wird von einer relevanten Diskriminierung wohl schon dann ausgehen müssen, wenn eines der inkriminierten Merkmale bei der Entscheidung des Vermieters überhaupt eine Rolle gespielt hat. Es kommt wohl nicht darauf an, ob das inkriminierte Merkmal das letztlich allein Ausschlaggebende war. Wenn für eine unterschiedliche Behandlung ein sachlicher Grund besteht, ist das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nicht verletzt (§ 20 I 1 AGG). Diese Rechtfertigung kommt allerdings nur in Betracht bei Diskriminierungen aus Gründen der Religion, der Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechtes. Bei Mietverträgen wird diese Rechtfertigungsmöglichkeit kaum mal eine Rolle spielen. Bei Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder ethnischen Herkunft gibt es diese Möglichkeit der Rechtfertigung grundsätzlich nicht. In eigener Sache für 2012 – Neue und verbesserte Vergleiche bei Finanztip: Tagesgeldkonten Autofinanzierung Ratenkredite Kfz-Versicherung Rechtsschutz Private Kranken-Vers. Gesetzl. Kranken-Vers. Berufsunfähigkeit Riester-Förderung Privathaftpflicht Nach dem mehr praxisrelevanten § 19 III AGG können Diskriminierungen bei der Vermietung von Wohnraum allerdings mit dem Ziel gerechtfertigt werden, sozialstabile Bewohnerstrukturen zu schaffen und zu erhalten. Dies ist eine Ermessensvorschrift („können“). Der Vermieter muss das Vorliegen dieses Grundes im Rechtsstreit beweisen. Im Wesentlichen zielt diese Erleichterung auf die Rechtfertigung von Diskriminierungen wegen der ethnischen Herkunft bei größeren Wohnanlagen. Ob eine solche Diskriminierung aber grundsätzlich mit Blick auf die Schaffung sozialer Bewohnerstrukturen gerechtfertigt werden kann, ist bei der gebotenen europagemeinschaftsrechts konformen Auslegung fraglich bei Diskriminierungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft und des Geschlechtes.

    IV. Rechtsfolgen eines Verstosses gegen AGG

    Aus einem Diskriminierungsverstoß kann sich ein Anspruch des potenziellen Mietinteressenten auf Abschluss des Mietvertrages ergeben, der auch im einstweiligen Verfügungsverfahren durchgesetzt werden kann. Der Kontrahierungsanspruch setzt voraus, dass es zum Vertragsschluss bei diskriminierungsfreiem Verhalten gekommen wäre und dass der Vertragsschluss noch möglich ist. Auf Probleme stößt der vom diskriminierten Mieter behauptete Kontrahierungsanspruch dann, wenn der Vermieter den Mietvertrag bereits mit einem Dritten geschlossen und diesem den Besitz an der Wohnung überlassen hat. Der Vermieter kann dann nicht zweimal liefern. Der Diskriminierte kann auch – daneben oder allein – den Ersatz aller erlittenen Schäden verlangen (§ 21 II 1 AGG, § 249 BGB). Oft allerdings wird bei Diskriminierungen ein materieller Schaden nicht entstehen. Die wesentliche Beeinträchtigung des Opfers der Diskriminierung wird jedoch regelmäßig in seiner Erniedrigung bestehen. Deshalb sieht § 21 II 3 AGG auch wegen des Nichtvermögensschadens einen Geldanspruch des Diskriminierten vor.

    V. Ausschlussfrist

    Alle Ansprüche wegen Diskriminierungen unterliegen einer besonderen Ausschlussfrist (§ 21 V AGG). Danach müssen die Ansprüche innerhalb einer Frist von zwei Monaten gegenüber dem Diskriminierenden geltend gemacht werden. Dazu ist keine gerichtliche Geltendmachung erforderlich. Es genügt, wenn an den Diskriminierenden ein Schreiben gerichtet oder der Anspruch in anderer Weise geltend gemacht wird.

    VI. Beweiserleichterung § 22 AGG enthält zugunsten des Diskriminierten eine Beweiserleichterung.

    Danach führt die Darstellung eines Sachverhaltes durch den Benachteiligten, der eine Diskriminierung vermuten lässt, dazu, dass der andere Teil nachweisen muss, dass er nicht diskriminiert hat. Dies kann den Vermieter in mancherlei Hinsicht in Beweisschwierigkeiten bringen. Für Vermieter empfiehlt sich deshalb eine umfassende Dokumentation in kritischen Fällen. Regelmäßig wird dies zu empfehlen sein im Rahmen des Auswahlverfahrens bei Vermietung einer Wohnung.

    Mietrecht 05 – 2011 Mietrechtslexikon