Zum Inhalt springen

Vorgeschobener Eigenbedarf und die mietrechtlichen Folgen

    Mietrecht: Vorgeschobenen Eigenbedarf

    Der „Eigenbedarf“ an einer Wohnung ist im Mietrecht einer der Gründe, die den Vermieter zu einer Kündigung der Wohnung berechtigen. Die Versuchung einen tatsächlich nicht bestehenden Eigenbedarf einfach nur als Kündigungsgrund vorzuschieben ist für die Vermieter relativ hoch. Ein sogenannter „vorgeschobener“ Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter oder die Person zu deren Gunsten gekündigt werden soll, die Mietwohnung ernsthaft überhaupt nicht nutzen will. Der Vermieter ist gegenüber dem Mieter, der aufgrund einer Kündigung wegen Eigenbedarf, der in Wahrheit nicht besteht, voll Schadensersatzpflichtig.

    Hinweispflichten: Der Vermieter ist verpflichtet, den Mieter auf einen zwischenzeitlich eingetretenen Wegfall des Eigenbedarfs hinzuweisen. Unterlässt der Vermieter den Hinweis, macht er sich schadensersatzpflichtig. Diese Hinweispflichtet endet bei der Gewährung einer gerichtlichen Räumungsfrist erst mit Auszug des Mieters aus der Wohnung, also keineswegs bereits nach Abschluß des gerichtlichen Verfahrens (Urteil des LG Hamburg v. 2.12.2004 – 334 S 50/04 WM 134/2005).

    Zur Schadensberechnung in einem solchen Fall >>> Schadensberechnung

    Grundsätzlich hat derjenige, der aus einem ihm günstigen Gesetz Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Diese Verteilung der Beweislast gilt auch für den Schadensersatzanspruch, den der Mieter gegen den früheren Vermieter wegen einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung geltend macht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, bei diesem Anspruch von dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung abzuweichen, ist nicht gegeben. (BGH Urteil vom 18.5.2005 – VIII ZR 368/03). Der Mieter wird dadurch, daß ihm der Beweis für den fehlenden Selbstnutzungswillen des Vermieters auferlegt wird, nicht in unbilliger Weise belastet. Denn der Vermieter darf sich im Prozeß nicht darauf beschränken, die Behauptung des Mieters, dass der Kündigung ein Selbstnutzungswille des Vermieters nicht zugrunde gelegen habe, schlicht zu bestreiten. Setzt der Vermieter den mit der Kündigung behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, daß der Eigenbedarf als Kündigungsgrund nur vorgeschoben war. Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll. Erst wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte. Zu beachten: Die Rechtsprechung hat sich mit dem Urteil des BGH im Jahr 2005 geändert. Vor diesem Urteil des BGH sollte nach überwiegender Meinung der Vermieter verpflichtet sein, den Beweis zu erbringen.

    Detektivkosten

    Schaltet der Mieter zur Abwehr einer zweifelhaften Eigenbedarfskündigung eine Detektei ein, so sind deren Erkenntnisse im Räumungsprozess grundsätzlich verwertbar ( LG Berlin, Urteil v. 23. Juli 1991, Az 65 S 403/89, auch LG Gießen, 26. 4. 1989 1 S 122/89). Die Einschaltung eines Detektivs zur Klärung des mit der Kündigung geltend gemachten Eigenbedarfs kann aus der Sicht eines vernüftigen Mieters sachgerecht sein. Die entstandenen Kosten sind dann als Prozesskosten zu berücksichtigen. (LG Köln, BE v. 31. August 1999, Az 1 T 211/89). Bedarf für die Widerlegung des vom Vermieter geltend gemachten Eigenbedarfes der Beauftragung eines Detektivs durch den Mieter, so sind die Kosten des Detektivs vom Vermieter als Schadensersatz zu erstatten, dazu gibt es viele übereinstimmenden Urteile.
    Hinweis:
    Der Mieter kann nicht ohne jede Notwendigkeit, und ohne dass er einen konkreten Auftrag erteilt bzw. erteilen kann, einen Detektiv ermitteln lassen. Es sollten also schon sehr konkrete und ernsthafte Zweifel an dem behaupteten Eigenbedarf vorliegen, so dass der Mieter den Detektiv konkret und gezielt ansetzen kann. Damit hat die Rechtsprechung dem einen Riegel vorgeschoben, dass praktisch bei jeder Eigenbedarfskündigung erst einmal ein Detektiv mit der Nachprüfung beauftragt wird (LG Berlin, Beschluß v. 9.12.1997, Az 84 T 792/97). siehe auch >>> Detektivkosten

    Die mietrechtlichen Folgen

    Sofern der Vermieter berechtigten Eigenbedarf an seiner Wohnung hat (Details dazu >>>>Eigenbedarf) muss der Mieter die Wohnung räumen.

    Andererseits ist die Rechtsprechung außerordentlich streng, wenn der Vermieter den Kündigungsgrund des Eigenbedarfs nur vortäuscht. Der Vermieter schuldet dem Mieter dann den Ersatz des gesamten Schadens. Dazu gehören die Kosten des Umzugs, Anzeigenkosten, Maklerkosten, Detektivkosten, Kosten für Schönheitsreparaturen sowie der sogenannte „Differenzmietschaden“ (Mietkosten der neuen vergleichbaren Wohnung sind höher als bei der alten Wohnung (vgl LG Potsdam Urteil vom 22. Februar 2001 , Az: 11 S 79/00). Der BGH hat diese Rechtsprechung bestätigt (Urteil des VIII. Zivilsenats vom 18.5.2005 – VIII ZR 368/03) – Im Einzelnen siehe >>> Schadensberechnung. Auch die Kosten eines vom Mieter beauftragten Rechtsanwaltes gehören zum Schaden. Das deutsche Schadensrecht ist überaus kompliziert. Betroffenen Mieter wird daher in jedem Fall empfohlen sich von einem örtlichen – auf Mietrecht spezialisierten – Rechtsanwalt individuell beraten zu lassen bzw. ihm den Fall zur Schadensregulierung zu übertragen.

    Der Vermieter macht sich darüber hinaus wegen Betrug strafbar. Welche Folgen dies haben kann, kann aus dem nachstehenden Urteil abgelesen werden.

    LG Düsseldorf , Urteil vom 14. September 1995 , Az: XXVI 87/95 – 610 Js 249/94

    1. Der Vermieter begeht einen strafbaren Betrug, wenn er bewußt wahrheitswidrig Eigenbedarfsgründe für die Wohnungskündigung angibt, und die Mieter sich aufgrund anwaltlicher Beratung vergleichsweise zur Räumung der Wohnung verpflichten.

    2. Es stellt einen Strafschärfungsgrund dar, dass die Ehefrau des Mieters zum Zeitpunkt der KÜndigung schwanger war, und der Vermieter insoweit die junge Familie angesichts der bekannten Wohnungsknappheit durch seine vorgetäuschte Kündigung in erhebliche Existenzängste gestürzt hat.

    3. Strafmildernd ist dagegen zu berücksichtigen, dass der Vermieter (im Berufungsverfahren) ein Geständnis abgelegt und sich im Rahmen der gegen ihn anhängigen Schadensersatzklage zur freiwilligen Schadensersatzzahlung in Höhe von 12.000 DM verpflichtet hat.

    Auch dann Schadensersatz, wenn der Mieter freiwillig auszieht

    Auch in den Fällen, in denen der Mieter „nachgibt“, und freiwillig auszieht schuldet der Vermieter vollen Schadensersatz, wenn die Gründe für den Eigenbedarf „erfunden“ waren. Nach Ansicht des Amtsgerichts Mannheim (Urteil vom 23.3.2012, 9 C 452/11) soll dies nicht gelten, wenn der Mieter im Verlauf eines Gerichtsverfahrens in dem die Frage des Eigenbedarfs Gegenstand des Verfahrens war einen Räumungsvergleich abgeschlossen hat und deshalb freiwillig ausgezogen ist.

    Wenn sich die Parteien in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich wegen einer Räumung geeinigt haben, die Frage des Eigenbedarfs aber nicht Gegenstand war, so sind mögliche Schadensersatzansrüche des Mieter nicht im Rahmen des Vergleiches mit erledigt worden und bestehen weiterhin. Gleiches gilt auch dann, wenn die Parteien einen Mietaufhebungsvertrag geschlossen haben. Anders jedoch, wenn der Mieter absichtlich über das Bestehen eines Eigenbedarfes getäuscht wurde (=strafrechtlich Betrug). Dazu gibt es eine recht einheitliche Rechtsprechung im Mietrecht und viele Urteile.

    Z.B.: Dem Mieter steht gegen den Vermieter ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung zu, wenn der Vermieter entweder eine Eigenbedarfskündigung androht oder sich darauf beschränkt, Eigenbedarf anzumelden, und der Mieter daraufhin freiwillig auszieht. (LG, Urteil vom 19. Dezember 1997 , Az: 13 B S 135/97).

    Mietrecht 05 – 2012 Mietrechtslexikon