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Härtefälle bei Wohnungskündigungen

    Härtefälle bei Wohnungskündigungen im Mietrecht § 574 BGB

    Selbst dann, wenn der Vermieter das Mietverhältnis wirksam gekündigt hat, kann der Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Das Mietrecht gewährt ihm durch § 574 BGB einen solchen Rechtsanspruch. Der Mieter kann nur eine befristete Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, so lange, bis der Härtegrund für Ihn nicht mehr besteht. Es müssen aber schon außergewöhnlich Gründe vorliegen. Einer der wichtigsten Härtefälle ist der, wenn es dem Mieter nicht gelingt angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen zu beschaffen ( vgl § 574 Abs 2 BGB).
    Details dazu siehe unter >>> Ersatzwohnraum.
    Zu weiteren verschiedenen Härtegründen wurde die nachstehende Sammlung von Gerichtsurteilen zusammen gestellt.

    Was ist zu beachten:

    Nach der Entscheidung des BGH (Urteil vom 8.12.2004 – VII ZR 218/03) siehe unter >>> Kündigung fristlos werden die Gerichte in den meisten Fällen aber heute anders als früher viele der nachfolgenden Fälle zugunsten des betroffenen Mieters entscheiden.

    Härtefall anerkannt: (Schwangerschaft der Mieterin)

    Ein Härtefall gemäß BGB § 574 a, der eine befristete Verlängerung des Mietverhältnisses trotz berechtigten Eigenbedarfs des Vermieters rechtfertigt, liegt vor, wenn die Entbindung der Ehefrau des Mieters unmittelbar bevorsteht, so dass ein Umzug mit einem Kleinkind nicht zumutbar ist und bei der vom Mieter nachgewiesenen intensiven Ersatzwohnraumsuche damit zu rechnen ist, dass er innerhalb von einigen Monaten nach der Geeburt eine neue Wohnung findet. LG Stuttgart 16. Zivilkammer, Urteil vom 6. Dezember 1990 , Az: 16 S 378/90

    Härtefall anerkannt (Sehschwäche des Ehegatten)

    Eine sozialer Härtefall ist noch allein deshalb begründet, weil der Ehegatte 80 Jahre alt ist und das Mietverhältnis seit 30 Jahren besteht. Dies kann erst der Fall sein, wenn das hohe Alter aber mit einer schweren körperlichen Beeinträchtigung zusammentrifft. Diese Voraussetzungen liegen u.a. vor, wenn der Ehegatte auf dem einen Auge praktisch erblindet ist und nur noch auf einem Auge eine Sehstärke von 1/25 hat (KG Berlin, Urteil v. 6.5.2004 – 8 U 288/03).

    Härtefall anerkannt (Pflegefall)

    Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses aus überwiegenden Härtegründen nach der Eigenbedarfskündigung des Vermieters kann begründet sein, wenn die optimale Versorgung und Pflege von Angehörigen des Mieters nur vom Standort der Mietwohnung aus zu handhaben ist. AG Lübeck, Urteil vom 26. September 2002, Az: 27 C 1621/02

    Härtefall nicht anerkannt: (Soziale Verwurzelung)

    Die 70 und 73 Jahre alten Beklagten widersprachen dieser Kündigung mit Schreiben vom 19.12.2001. Sie beriefen sich darauf, dass ein Umzug angesichts ihrer in 33 Jahren entstandenen sozialen Verwurzelung in dieser Wohngegend und mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand eine unzumutbare Härte darstellte. Der Mieter ist als Vorsitzender einer Bürgerinitiative für die M.-Straße aktiv. Er leidet seit Jahren an Bluthochdruck und Diabetes mellitus und musste sich im Jahre 1999 einer Dreifach-Bypass-Operation unterziehen. Die beiden Mieter verfügen über ein monatliches Einkommen von ca. € 1500,00. Die Beschaffung von Ersatzwohnraum ist möglich uns zumutbar. LG Bremen 2. Zivilkammer, Urteil vom 22. Mai 2003, Az: 2 S 315/02.

    Härtefall anerkannt – Mietverhältnis unbefristet verlängert – (Schwerbehindert)

    Dass bei den Vermietern Eigenbedarf besteht, weil ihre 30-jährige Tochter die Wohnung beziehen möchte, kann keinem Zweifel unterliegen. Die Tochter ist im Kinderzimmer der elterlichen Wohnung nur unzureichend mit eigenem Wohnraum versorgt.

    Bei der Mieterin liegen allerdings Härtegründe im Sinne des § 574 BGB vor. Sie wohnt seit 1976 in der angemieteten Wohnung, ist 89 1/2 Jahre alt, alleinlebend und ausweislich des im Termin vorgelegten Ausweises zu 80% schwerbehindert. Sie ist auf tägliche häusliche Pflege angewiesen und aufgrund ihrer langen Wohndauer im Wohnviertel verwurzelt. Mögen auch diese Umstände für sich allein genommen eine soziale Härte nicht begründen, so bilden sie in ihrer Gesamtheit nach Ansicht der Kammer eine solche. LG Essen 15. Zivilkammer, Urteil vom 23. März 1999, Az: 15 S 448/98

    Härtefall nicht anerkannt (Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel)

    Umzugsbedingte Notwendigkeit, die Schule mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel aufsuchen zu müssen ist keine unzumutbare Härte.

    Für den 16 Jahre alten Sohn des Mieters stellt die umzugsbedingte Notwendigkeit, die Schule nunmehr mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel aufsuchen zu müssen, keine unzumutbare Härte im Sinne des BGB § 556a dar.LG Hamburg 11. Zivilkammer, Urteil vom 3. April 1998, Az: 311 S 225/97

    Härtefall anerkannt (Aidserkrankung)

    Die Aidserkrankung eines Lebensgefährten ist in den Schutzbereich BGB § 574 Abs 1 einbezogen und kann bei der Beendigung des Mietverhältnisses ein Härtegrund darstellen. LG Hamburg 33. Zivilkammer, Urteil vom 19. Dezember 1996, Az: 333 S 56/95

    Härtefall anerkannt – Mietverhältnis unbefristet verlängert – (Doppelter Umzug)

    Die Verlängerung des Mietverhältnisses kann in der Regel nur für einen bestimmten Zeitraum und nicht unbefristet verlangt werden. Beispiel: Hat der Mieter nach einer Kündigung eine Ersatzwohnung gefunden, kann in diese jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Räumungszeitpunkt einziehen, so müsste er, um den Termin einhalten zu können, zunächst kurzfristig eine „Notunterkunft“ beziehen, um dann erneut umzuziehen. Dieser „doppelte Umzug“ stellt einen Härtefall dar. Der Mieter kann vom Vermieter verlangen in der alten bisherigen Wohnung so lange bleiben zu können, bis die gewählte Ersatzwohnung frei ist. Zur Vermeidung eines doppelten Umzugs kommt eine Verlängerung des Mietverhältnisses aus Härtegründen der Sozialklausel auf unbestimmte Zeit dann in Betracht, wenn der Mieter in ein Seniorenwohnheim umzuziehen beabsichtigt, ein gewünschtes Appartement dort aber in absehbarer Zeit trotz bereits vor vier Jahren vereinbarten Anwartschaftsvertrages nicht wird zur Verfügung gestellt werden können. LG Köln 6. Zivilkammer, Urteil vom 18. Juli 1996, Az: 6 S 474/95.

    Härtefall anerkannt aber nur für bestimmte Zeit (Erkrankung)

    Das Mietverhältnis ist nach BGB § 556a nicht auf unbestimmte Zeit, sondern auf bestimmte Zeit fortzusetzen, wenn die Erkrankung der 72jährigen Mieterin medizinisch beherrschbar ist, so daß ihr bei erfolgter Besserung des Gesundheitszustandes bis Ende des Fortsetzungszeitraumes eine örtliche Veränderung zumutbar ist. LG München I 14. Zivilkammer, Urteil vom 27. März 1996, Az: 14 S 21806/95

    Härtefall anerkannt aber nur für bestimmte Zeit (Psychische Erkrankung)

    Befindet sich der Mieter in einer psychischen Ausnahmesituation, so ist ein Härtegrund im Sinne des BGB § 556a gegeben und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit geboten. LG München I 14. Zivilkammer, Urteil vom 9. August 1995, Az: 14 S 5217/95

    Suizidgefahr (Selbstmordgefahr) als Härtefall

    Suizidgefahr als Härtefall Ist die Suizidgefahr des Mieters – beispielsweise durch stationäre Unterbringung – beherrschbar, kann ein Vermieter bei konkret bestehendem und nachgewiesenem Eigenbedarf nicht auf Dauer von der Nutzung seines Eigentums ausgeschlossen werden. Es kann einem Eigentümer und Vermieter nicht auf Dauer zugemutet werden, dass trotz möglicher Beherrschung der Suizidgefahr bei einem Mieter die Durchsetzung seines Eigentumsanspruchs wegen der theoretischen Möglichkeit einer Selbsttötung für einen unabsehbaren Zeitpunkt verhindert wird. Dies muss insbesondere für den Fall gelten, dass der von der Räumung betroffene Mieter eine mögliche Behandlung zur Verbesserung seines psychischen Zustands und zur Eindämmung von Suizidabsichten ablehnt. LG Bonn 6. Zivilkammer, Urteil vom 16. August 1999, Az: 6 S 150/98 Siehe auch das Urteil des LG München I vom 23.07.2014, AZ: 14 S 20700/13. Das LG bescheinigte dem Schutz der gesundheitlichen Interessen einer schwer psychisch kranken und suizidgefährdeten Mieterin den Vorrang von rein finanziellen Interessen der Vermieterin, die sich teure Hotelaufenthalte für notwendige Nachuntersuchungen nach einer Jahre zurückliegenden Krebserkrankung ersparen wollte.

    Ist die Suizidgefahr des Mieters – beispielsweise durch stationäre Unterbringung – beherrschbar, kann ein Vermieter bei konkret bestehendem und nachgewiesenem Eigenbedarf nicht auf Dauer von der Nutzung seines Eigentums ausgeschlossen werden. Es kann einem Eigentümer und Vermieter nicht auf Dauer zugemutet werden, daß trotz möglicher Beherrschung der Suizidgefahr bei einem Mieter die Durchsetzung seines Eigentumsanspruchs wegen der theoretischen Möglichkeit einer Selbsttötung für einen unabsehbaren Zeitpunkt verhindert wird. Dies muß insbesondere für den Fall gelten, daß der von der Räumung betroffene Mieter eine mögliche Behandlung zur Verbesserung seines psychischen Zustands und zur Eindämmung von Suizidabsichten ablehnt. LG Bonn 6. Zivilkammer, Urteil vom 16. August 1999, Az: 6 S 150/98

    Mietrecht 25.09. 2014 Mietrechtslexikon Härtefälle im Mietrecht