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Härtefälle nach Wohnungskündigungen

    Härtefälle im Mietrecht: Widerspruchsrecht des Mieters gegen eine Wohnungskündigung

    Selbst dann, wenn der Vermieter das Mietverhältnis wirksam gekündigt hat, kann der Mieter eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen. Das Mietrecht gewährt ihm durch § 574 BGB einen solchen Rechtsanspruch. Es müssen aber schon außergewöhnlich Gründe vorliegen.
    Der Vermieter muss das Mietverhältnis aber in aller Regel (Ausnahmen siehe nachstehende Fallsamlung) nur für eine angemessene Zeit, und nicht auf unbestimmte Zeit fortsetzen. Für die dem Mieter zu gewährende Frist sind im Einzelfall die konkreten persönlichen Umstände des Mieters zu berücksichtigen.

    Ist dem Vermieter die Fortsetzung zu unveränderten Bedingungen nicht zumutbar, so kann der Mieter nur eine Fortsetzung zu angemessenen Bedingungen (zum Beispiel höhere Mietzahlung, Sicherheitsleistung für Miete usw.) verlangen. Der Vertrag wird in diesem Fall geändert (§ 574 BGB und § 574 a BGB) .

    Im Rahmen der Prüfung, ob eine Fortsetzung erfolgen muss, sind die beiderseitigen Interessen von Vermieter und Mieter gegeneinander abzuwägen. Die Anforderungen der Rechtsprechung für die Anerkennung eines Härtefalles sind hoch.

    Zu beachten: Der Widerspruch des Mieters im Falle eines Härtefalles muss schriftlich erklärt werden und eine Begründung enthalten. Enthält er keine Begründung, so ist dem Vermieter auf Anforderung unverzüglich Auskunft zu erteilen. Der Widerspruch muss spätestens zwei Monate vor Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter zugehen, ansonsten kann der Vermieter den Widerspruch ablehen (§ 574 b BGB). Das bedeutet, dass sich der Mieter später auch vor Gericht nicht mehr aus die Härtefallklausel berufen kann. Hat der Vermieter in seiner Kündigung den Mieter nicht auf die Möglichkeit des Widerspruches hingewiesen, so gilt diese 2-Monatsfrist nicht. Der Mieter kann dann den Widerspruch selbst noch in einem Räumungsrechtsstreit vor Gericht vorbringen, und ist damit nicht verspätet (§ 574 b Abs 2 BGB).

    Zu den einzelnen Härtefällen

    1. Fallgruppe : Der Mieter findet keine Ersatzwohnung

    Der Mieter kann nach einer gerechtfertigten Kündigung eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses für einen ausreichenden Zeitraum verlangen, wenn es ihm nicht ge-lingt, zumutbaren Ersatzwohnraum zu besorgen (§ 574 Abs. 2 BGB).
    Der Mieter muss sich weder auf eine Obdachlosenunterkunft verweisen lassen, noch im Hotel oder einer Pension Quartier nehmen. Details zu der umfangreichen Rechtsprechung siehe >>> Ersatzwohnung.

    2. Fallgruppe : Sonstige Härtefälle

    Zu den verschiedenen weiteren Härtegründen im Sinne von § 574 Abs 1 BGB wurde die nachstehende Sammlung von Gerichtsurteilen zusammen gestellt:

    Härtefall anerkannt (Pflegefall):

    Eine Fortsetzung des Mietverhältnisses aus überwiegenden Härtegründen nach der Eigenbedarfskündigung des Vermieters kann begründet sein, wenn die optimale Versorgung und Pflege von Angehörigen des Mieters nur vom Standort der Mietwohnung aus zu handhaben ist.AG Lübeck, Urteil vom 26. September 2002, Az: 27 C 1621/02

    Härtefall nicht anerkannt: (Soziale Verwurzelung)

    Die 70 und 73 Jahre alten Beklagten widersprachen dieser Kündigung mit Schreiben vom 19.12.2001. Sie beriefen sich darauf, dass ein Umzug angesichts ihrer in 33 Jahren entstandenen sozialen Verwurzelung in dieser Wohngegend und mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand eine unzumutbare Härte darstellte. Der Mieter ist als Vorsitzender einer Bürgerinitiative für die M.-Straße aktiv. Er leidet seit Jahren an Bluthoch-druck und Diabetes mellitus und musste sich im Jahre 1999 einer Dreifach-Bypass-Operation unterziehen. Die beiden Mieter verfügen über ein monatliches Einkommen von ca. € 1500,00. Die Beschaffung von Ersatzwohnraum ist möglich uns zumutbar. LG Bremen 2. Zivilkammer, Urteil vom 22. Mai 2003, Az: 2 S 315/02

    Härtefall anerkannt – Mietverhältnis unbefristet verlängert – (Schwerbehindert)

    Dass bei den Vermietern Eigenbedarf besteht, weil ihre 30-jährige Tochter die Wohnung beziehen möchte, kann keinem Zweifel unterliegen. Die Tochter ist im Kinder-zimmer der elterlichen Wohnung nur unzureichend mit eigenem Wohnraum versorgt.

    Bei der Mieterin liegen allerdings Härtegründe im Sinne des § 574 BGB vor. Sie wohnt seit 1976 in der angemieteten Wohnung, ist 89 1/2 Jahre alt, alleinlebend und ausweislich des im Termin vorgelegten Ausweises zu 80% schwerbehindert. Sie ist auf tägliche häusliche Pflege angewiesen und aufgrund ihrer langen Wohndauer im Wohnviertel verwurzelt. Mögen auch diese Umstände für sich allein genommen eine soziale Härte nicht begründen, so bilden sie in ihrer Gesamtheit nach Ansicht der Kammer eine sol-che. LG Essen 15. Zivilkammer, Urteil vom 23. März 1999, Az: 15 S 448/98

    Härtefall nicht anerkannt (Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel)

    Umzugsbedingte Notwendigkeit, die Schule mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel aufsuchen zu müssen ist keine unzumutbare Härte.

    Für den 16 Jahre alten Sohn des Mieters stellt die umzugsbedingte Notwendigkeit, die Schule nunmehr mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel aufsuchen zu müssen, keine un-zumutbare Härte im Sinne des BGB § 556a dar. LG Hamburg 11. Zivilkammer, Urteil vom 3. April 1998, Az: 311 S 225/97

    Härtefall anerkannt (Aidserkrankung)

    Die Aidserkrankung eines Lebensgefährten ist in den Schutzbereich BGB § 574 Abs 1 einbezogen und kann bei der Beendigung des Mietverhältnisses ein Härtegrund darstellen. LG Hamburg 33. Zivilkammer, Urteil vom 19. Dezember 1996, Az: 333 S 56/95

    Härtefall anerkannt – Mietverhältnis unbefristet verlängert – (Doppelter Umzug)

    Die Verlängerung des Mietverhältnisses kann in der Regel nur für einen bestimmten Zeitraum und nicht unbefristet verlangt werden. Beispiel: Hat der Mieter nach einer Kündigung eine Ersatzwohnung gefunden, kann in diese jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Räumungszeitpunkt einziehen, so müsste er, um den Termin einhalten zu können, zunächst kurzfristig eine „Notunterkunft“ beziehen, um dann erneut um-zuziehen. Dieser „doppelte Umzug“ stellt einen Härtefall dar. Der Mieter kann vom Vermieter verlangen in der alten bisherigen Wohnung so lange bleiben zu können, bis die gewählte Ersatzwohnung frei ist. Zur Vermeidung eines doppelten Umzugs kommt eine Verlängerung des Mietverhältnisses aus Härtegründen der Sozialklausel auf un-bestimmte Zeit dann in Betracht, wenn der Mieter in ein Seniorenwohnheim umzuzie-hen beabsichtigt, ein gewünschtes Appartement dort aber in absehbarer Zeit trotz bereits vor vier Jahren vereinbarten Anwartschaftsvertrages nicht wird zur Verfügung gestellt werden können. LG Köln 6. Zivilkammer, Urteil vom 18. Juli 1996, Az: 6 S 474/95.

    Härtefall anerkannt aber nur für bestimmte Zeit (Erkrankung)

    Das Mietverhältnis ist nach BGB § 556a nicht auf unbestimmte Zeit, sondern auf be-stimmte Zeit fortzusetzen, wenn die Erkrankung der 72jährigen Mieterin medizinisch beherrschbar ist, so daß ihr bei erfolgter Besserung des Gesundheitszustandes bis Ende des Fortsetzungszeitraumes eine örtliche Veränderung zumutbar ist. LG München I 14. Zivilkammer, Urteil vom 27. März 1996, Az: 14 S 21806/95

    Härtefall anerkannt aber nur für bestimmte Zeit (Psychische Erkrankung)

    Befindet sich der Mieter in einer psychischen Ausnahmesituation, so ist ein Härtegrund im Sinne des BGB § 556a gegeben und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf bestimmte Zeit geboten. LG München I 14. Zivilkammer, Urteil vom 9. August 1995, Az: 14 S 5217/95

    Härtefall nicht anerkannt (Suizidgefahr)

    Ist die Suizidgefahr des Mieters – beispielsweise durch stationäre Unterbringung – beherrschbar, kann ein Vermieter bei konkret bestehendem und nachgewiesenem Eigen-bedarf nicht auf Dauer von der Nutzung seines Eigentums ausgeschlossen werden. Es kann einem Eigentümer und Vermieter nicht auf Dauer zugemutet werden, dass trotz möglicher Beherrschung der Suizidgefahr bei einem Mieter die Durchsetzung seines Eigentumsanspruchs wegen der theoretischen Möglichkeit einer Selbsttötung für einen unabsehbaren Zeitpunkt verhindert wird. Dies muß insbesondere für den Fall gelten, daß der von der Räumung betroffene Mieter eine mögliche Behandlung zur Verbesserung seines psychischen Zustands und zur Eindämmung von Suizidabsichten ablehnt. LG Bonn 6. Zivilkammer, Urteil vom 16. August 1999, Az: 6 S 150/98.

    Mietrecht 05 – 2012 Mietrechtslexikon