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Mietrecht: Die mieterechtlichen Folgen einer Berufsunfähigkeit des Mieters / Pächters

    Berufsunfähigkeit des Mieters / Pächters und Existenzgefährdung

    Mietrecht , Pachtrecht Folgen einer Berufsunfähigkeit

    Zu den mietrechtlichen Möglichkeiten einer vorzeitigen Vertragsaufhebung:
    Im Gegensatz zum Pachtrecht (dazu siehe unten) gibt es im Mietrecht keine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die dem Mieter im Falle einer Berufunfähigkeit eine Kündigungsrecht einräumt. Anerkannt ist aber, dass der Mieter nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in besonderen Fällen seine vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist vom Mieter verlangen kann. >>> siehe dazu vorzeitige Vertragsaufhebung. Sollte mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit zugleich eine Einschränkung der wirtschaftlich-finanziellen Leistungsfähigkeit des Mieters verbunden sein, kann der Mieter das Mietverhältnis ohne Einhaltung einer besonderen Frist kündigen (gilt auch bei Zeitmietverträgen). Diese Kündigungsrecht „aus wichtigem Grund“ kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden ( § 307 BGB). Eine entsprechende Klausel wäre unwirksam. Diese Möglichkeit einer Vertragsbeendigung kommt insbesondere im Bereich der gewerblichen Miete von Einzelhandelsgeschäften und Handwerksbetrieben (Metzgerei, Bäckerei) grosse Bedeutung zu. Zur Frage der Kündigung aufgrund einer solchen Existenzgefährdung hat das Landgericht Stuttgart das Folgende ausgeführt:

    Ob in extremen Fällen der Existenzgefährdung ein Recht zur fristlosen Kündigung bzw. Kündigung aus wichtigem Grund angenommen werden kann, ist eine schwierige Frage (MK4 – Roth, § 242 Rn. 755). In der Rechtsprechung des Reichsgerichtes scheint die als gewiss anzusehende Existenzvernichtung oder die sehr erhebliche Beeinträchtigung der Existenzfähigkeit als Grund für eine Lösung vom Vertrag anerkannt worden zu sein (vgl. Nachweise bei Staudinger, § 242 Rn. 190, 191). Dem ist im Grundsatz auch im Hinblick auf die beachtenswerte Entwicklung der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Bürgenhaftung zu folgen. Denn wo die Anwendung des Rechts zur dauerhaften Zerstörung der Lebenschancen einer Partei führen muss, noch dazu ohne der anderen Partei den ihr an sich gebührenden Vorteil sichern zu können, drängt sich die Frage auf, ob ein berechtigtes Interesse an der Prozessführung besteht. Das Recht ist der Diener der wohlverstandenen wirtschaftlichen Interessen einer Partei, nicht Selbstzweck, und soll nicht weiter gehen, als diese Interessen es gebieten. Wo schon im Erkenntnisverfahren evident ist, dass eine Rechtsverfolgung wegen Existenzvernichtung zur dauerhaften Undurchsetzbarkeit im Vollstreckungsverfahren führen wird, erscheint der Rechtsverlust schon im Erkenntnisverfahren und nicht erst durch Ausfall im Vollstreckungsverfahren jedenfalls bei Dauerschuldverhältnissen zumutbar. Das wohlverstandene Interesse eines Vermieters geht dahin, die rechtliche Bindung mit einem Mieter, der mehrfach nicht zahlen kann, möglichst schnell zu lösen (§ 543 Nr. 3 BGB), und kann nicht dahin gehen, einen evident zahlungsunfähigen Mieter gegen seinen Willen zu halten. Das Gericht soll in solchen Fällen „dem Eigensinn des Gläubigers, durch den Gerichtsvollzieher die Vollstreckung doch zu versuchen, nicht Vorschub leisten“ (RGZ 107, 15, 18). Evidenz der nachhaltigen Zahlungsunfähigkeit muss allerdings gegeben sein. Wörtlich zitiert aus : LG Stuttgart 27. Zivilkammer, Urteil vom 23. Juli 2003, Az: 27 O 210/03

    Die Situation im Pachtrecht

    Im Bereich der Landpacht ist für die Annahme eines Kündigungsrechtes bei Berufsunfähigkeit aus dem Gesichtspunkt von „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) kein Raum, da der Gesetzgeber diese Möglichkeit bedacht hat:

    „§ 594c BGB Kündigung bei Berufsunfähigkeit des Pächters

    Ist der Pächter berufsunfähig im Sinne der Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung geworden, so kann er das Pachtverhältnis außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn der Verpächter der Überlassung der Pachtsache zur Nutzung an einen Dritten, der eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung gewährleistet, widerspricht. Eine abweichende Vereinbarung ist unwirksam.“

    Grundsätzlich wird der Pächter nicht von seiner Pflicht zur Zahlung des Pachtzinses befreit, wenn er aufgrund in seiner Person liegender Umstände nicht in der Lage ist, die Pachtsache ordnungsgemäß zu bewirtschaften (vgl. BGB § 587 Abs. 2). Er ist auch nicht befugt, ohne das Einverständnis des Verpächters die Pachtsache einem Dritten zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung zu überlassen. Der Gesetzgeber hielt es für unbillig, einen Pächter an seinen vertraglichen Verpflichtungen auch dann festzuhalten, wenn er wegen Berufsunfähigkeit die Pachtsache nicht mehr selber bewirtschaften kann, vom Verpächter aber daran gehindert wird, die Bewirtschaftung einem Dritten zu überlassen, der eine ordnungsmäßige Bewirtschaftung und damit die Erfüllung der Pächterpflichten gewährleistet (BT-Drs. 10/509 S 24).

    Es ist kein Grund ersichtlich, der gegen eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze im Rahmen des § 242 BGB auch auf Pachtverträge, die keine Landpachtverträge sind, spricht. Die Berufsunfähigkeit muss im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Belastung des Pächters zu einer Existenzbedrohung führen. Ist dann im Pachtvertrag die Möglichkeit der Stellung eines „Nachpächters“ ausgeschlossen, so kann der Pächter die Aufhebung der Vertrages verlangen. Das gleiche gilt, sofern zwar die Stellung eines Nachpächters vertraglich nicht ausgeschlossen ist, es dem Pächter aber nicht gelingt, einen Nachpächter zu finden, der bereits ist in den Vertrag einzutreten. Ist die Stellung eines Nachmieters nicht im Vertrag ausgeschlossen, und ist dies dem Pächter auch möglich und zumutbar, so muss der Verpächter einer Vertragsaufhebung nur zustimmen, wenn ein geeigneter Nachpächter gefunden ist, der in den Vertrag eintritt. Insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie beim >>>Nachmieter.

    Berufsunfähigkeit

    Die Vorschrift des § 594 c BGB knüpft den Begriff der Berufsunfähigkeit an die Vorschriften der gesetzlichen Rentenversicherung. Durch Gesetz vom 19.02.2002, welches am 01.01.2002 in Kraft trat, trat an die Stelle des bis zum 31.12.2000 geltenden Systems der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrenten die einheitliche Erwerbsunfähigkeitsrente. Maßgeblich ist daher nun der Begriff der vollen Erwerbsminderung gem. SGB 6 § 43 Abs. 2. Danach ist voll erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, voll erwerbsgemindert ist auch, wer nach SGB 6 § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und wer bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert war, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Für den Begriff der Berufsunfähigkeit i.S.v. BGB § 594 c ist dabei jedoch allein die Erwerbsunfähigkeit als Landwirt maßgeblich, eine anderweitige Erwerbsfähigkeit des Pächters ist unerheblich.
    Ist zwischen den Parteien keine höchstpersönliche Bewirtschaftung der Pachtsache durch den Pächter vereinbart worden, ist die Berufsunfähigkeit des Pächters solange unerheblich, wie die ordnungsgemäße Bewirtschaftung durch seinen Erfüllungsgehilfen sichergestellt ist (Pikalo/von Jeinsen in: Staudinger, BGB § 594c Rn. 2).

    Voraussetzung für eine nachfolgende Kündigung bei § 594c BGB ist, dass der Pächter bei dem Verpächter anfragt, ob er die Pachtsache an einen Dritten, der eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung gewährleistet, zur Nutzung überlassen kann. Dabei muss der Pächter den Verpächter zwar nicht ausdrücklich auf die Folgen eines Widerspruches nach BGB § 594c hinweisen, jedoch muss er ihm die Möglichkeit geben, zu erkennen, dass der Hintergrund der Anfrage die Berufsunfähigkeit des Pächters ist und dem Verpächter das Risiko der Kündigung droht (Heintzmann in: Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 1999 § 594c Rn. 6). Ferner muss der Pächter Angaben zur Person des Dritten machen, so dass sich der Verpächter davon überzeugen kann, dass der Dritte eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache gewährleisten kann (Heintzmann in: Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 1999 § 594c Rn. 7).
    Der Widerspruch des Verpächters führt nur dann zu einem Kündigungsrecht des Pächters, wenn der Pächter berufsunfähig ist und der Dritte eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Pachtsache gewährleistet.
    Liegen die Voraussetzungen vor, so kann der Pächter gem. BGB § 594a Abs. 2 spätestens am dritten Werktag des halben Jahres, mit dessen Ablauf das Pachtverhältnis enden soll, den Pachtvertrag kündigen. Dabei muss die Kündigungserklärung keine Angabe von Gründen erhalten (OLG Frankfurt 19.01.1990 20 U 3/89). Die Frist, innerhalb derer die Kündigung erklärt werden kann, ist nicht auf das Pachtjahr beschränkt, in dem der Verpächter der Pächteranfrage widersprochen hat, sondern gilt grundsätzlich innerhalb der Schranken des BGB § 242 (Verwirkung) auch darüber hinaus (Pikalo/von Jeinsen in: Staudinger, BGB § 594c Rn. 5, Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 4. Aufl. 1997 § 594c Rn. 14).

    Vertragswirksamkeit

    Bei einem Miet oder Pachtvertrag über ein gewerbliches Objekt gilt eine weitgehende Vertragsfreiheit. Die Unwirksamkeit einzelner Klauseln kann sich jedoch auch bei einem gewerblichen Miet /Pachtvertrag dann ergeben, wenn ein Vertragspartner unangemessen benachteiligt wird ( § 307 BGB) . So wäre insbesondere der völlige Ausschluß jeder Kündigungsmöglichkeit eine unangemessene Benachteiligung. Solche Fälle sind jeweils im einzelnen zu überprfüfen.

    Ein weiteres Beispiel:

    Eine Regelung in einem formularmäßigen 15jährigen Landpachtvertrag, wonach das außerordentliche Kündigungsrecht des Verpächters auf Fälle des Zahlungsverzuges beschränkt ist, während der Pächter mit einer Frist von 3 Monaten zum Pachtjahresende zu kündigen berechtigt ist, ist wegen unangemessener Benachteiligung nach AGBG § 9 unwirksam. OLG Rostock Senat für Landwirtschaftssachen, Urteil vom 18. November 1997, Az: 12 U (Lw) 3/97 Quelle: AgrarR 1998, 219-221

    Mietrecht und Pachtrecht 07 / 2012
    Ass. jur. Neuhäuser, Rechtsanwalt a. D. im Mietrechtslexikon